Die Unterdrückung der Urvölker wurde durch mehrere päpstliche Bullen und Edikte legitimiert, die von Papst Alexander unterzeichnet wurden, als Kolumbus die Neue Welt entdeckte. Sie wurden vor mehr als 500 Jahren geschrieben und bis heute nicht aufgehoben. Sie sind die spirituelle, legale und moralische Grundlage für die Rechtsprechung über die Stammesnationen geblieben. Die Richtigkeit der Eroberungsdoktrinen hat sich wie Krebs in der Welt verbreitet und nicht nur die Vergewaltigung und Brandschatzung von Urvölkern in der ganzen Welt ausgelöst, sondern rechtfertigt bis heute auch das Plündern der Ressourcen der schwachen und verletzlichen Völker, sagen die Großmütter.
So, wie damals die Eroberer und Pioniere, die Amerika überschwemmten, Kulturen auslöschten und beinahe die gesamte Bevölkerung der Urstämme ausrotteten, so vernichtet heutzutage der Materialismus, der von der Weltwirtschaft verbreitet wird, die Demokratie, die Gemeinschaft, die kulturelle Vielfalt und die Spiritualität. Was im Namen des Kolonialismus, der demselben Anspruchsdenken entspringt wie die Eroberungsdoktrinen, den Urvölkern auf der ganzen Welt angetan wurde, wird heutzutage uns allen durch die Ausbeutungswirtschaft angetan.
Ohne einen Blickwinkel und eine Lebensweise, die mit den alten und bewährten erdnahen Traditionen und Praktiken der Urvölker harmonieren, werden wir nicht überleben, sagen die Großmütter.
Kriege gibt es schon seit langem, sagt Großmutter Maria Alice.
– Großmutter Beatrice.
Wir können den Kreislauf der Gewalt auf diesem Planeten nicht verändern, wenn wir nicht auch unsere Peiniger heilen, sagen die Großmütter. Wir müssen mit Ehrlichkeit auf den Schmerzen der Vergangenheit aufbauen, selbst unseren Kindern gegenüber. Wir können nicht so tun, als hätte es kein Leid gegeben. Aber wir müssen auf den Schmerzen aufbauen, ohne ihnen nachzugeben. Zorn kann Veränderungen bewirken. Aber nur wenn wir den Schmerzen eine Stimme verleihen, können wir heilen. Nur wenn wir uns mit der Vergangenheit konfrontieren, können wir die Wirkungen unserer Handlungen in der Gegenwart erkennen.
Die Unterdrückung hat noch nicht aufgehört. Die Kulturen werden weiter ausgehöhlt, selbst die dominantesten, nur ist es heute der Fernseher, der diese Arbeit verrichtet. Zwar verübt das Fernsehen keine körperliche Brutalität, aber seine Auswirkungen sind umso schädlicher. Wie in den Missionarsschulen der ganzen Welt werden die jungen Leute heute von der Werbung anvisiert, weil sie noch formbar sind. Das Fernsehen und das Internet haben den Druck verstärkt, Produkte zu kaufen, um der homogenisierten Kultur des global village gerecht zu werden. Zwar gibt es keine körperliche Gewalt mehr, aber die Seelen werden missbraucht. Mehr und mehr junge, aber auch ältere Menschen schämen sich für das, was sie sind, wenn sie nicht dem westlichen Schönheitsideal entsprechen (was die wenigsten Menschen tun). Wir verlieren immer mehr den Kontakt zu unseren Seelen und versuchen, die Leere in uns mit Gütern oder Drogen zu füllen.
Wir können Zeugen dessen werden, war der Verlust großer Zivilisationen wie der Mayas, der Inkas oder der Azteken oder der vielen Eingeborenenstämme Amerikas für die Menschheit bedeutet, wenn wir nur betrachten, was Tibet vor unseren Augen durchleben muss.
Während die Tragödie Tibets ein Musterbeispiel für die unmenschliche Behandlung der Urkulturen auf der ganzen Welt in den letzten 500 Jahren darstellt, dient die Geschichte Ladakhs als Spiegel für all das, was uns verloren geht, wenn wir den multinationalen Konzernen glauben, dass die Welt ein global village sei.
– Großmutter Bernadette.
– Großmutter Tsering.
Wir müssen für die Stimme des Lebens kämpfen, sagen die Großmütter. Wenn wir aber gegen die Unterdrückung kämpfen, dürfen wir nicht zulassen, dass wir ebenso werden wie diejenigen, gegen die wir kämpfen. Wir brauchen eine Veränderung, keinen kriegsähnlichen Zustand, sondern die Macht des Gebets. Die Korruption in der katholischen Kirche beispielsweise, die die Eroberungsdoktrin zugelassen hat, hatte nichts zu tun mit den Kernlehren, auf denen die Kirche basiert. Wir müssen den Ort finden, an dem die Krankheit und die Korruption gesät wurden, die den Menschen so viel Leid zugefügt haben. Nur durch unsere Gebete können wir die Saat des Guten in jedem Menschen entdecken lernen.
– Großmutter Maria Alice.
Wir können die unterdrückte Stimme herauslassen, sagt Großmutter Maria Alice, weil die Mehrheit der Menschen keinen Krieg will. Sie wollen das, was sich in der Welt zuträgt, nicht. „Wir sollten nicht auf jemanden warten, der uns Freiheit schenkt“, sagt sie, „weil Gott uns Freiheit geschenkt hat. Er gab uns unser Leben und hier sind wir. Wir leben. Wir sind wie er.“